Geheimsprache im Zeugnis
Dein letzter Praktikumstag bereitet dir Freude, schließlich hast du gute Arbeit geleistet und erntest jetzt Anerkennung für dein Schaffen. Dein Praktikumsbetreuer bedankt sich mit Kuchen und netten Worten. Dabei überreicht er dir feierlich ein 1A Praktikumszeugnis. Doch beim nächsten Bewerbungsgespräch kommt der bittere Nachgeschmack. Der Personaler fragt, ob es Unstimmigkeiten im letzten Betrieb gab, schließlich sei das Zeugnis vernichtend. Wie kann das sein? Dahinter steckt der Geheimcode in der Zeugnissprache.
Die Geheimsprache im Praktikumszeugnis –
So entschlüsselst du deine wahre Beurteilung
Der wichtigste Satz im Praktikumszeugnis
Es gibt ein paar Klassiker, auf die du in deinem Zeugnis achten solltest. Ganz oben steht als wichtigstes Kriterium die Gesamtbewertung deiner Leistungen. Die versteckt sich hinter dem Satz: „Frau Praktikantin hat alle ihr anvertrauten Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erfüllt“. Das entspricht einem „Sehr gut“ und viele Personaler suchen nach dieser Formulierung. Andere Wortlaute klingen zwar ebenso gut, drücken aber einen schlechteren Gesamteindruck aus. Hinter dem Ausdruck „Stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ versteckt sich ein „Gut“. „Stets zu unserer Zufriedenheit“ oder „Zu unserer vollen Zufriedenheit“ drückt ein „Befriedigend“ aus und „Zu unserer Zufriedenheit“ entspricht einem „Ausreichend“. „Im Großen und Ganzen zufriedenstellend“ verbirgt ein „Mangelhaft“ und „Er/Sie hat die Aufgaben zu unserer Zufriedenheit zu erledigen versucht“ ist ein glattes „Ungenügend“.
Warum verfassen die Chefs derart hinterhältige Zeugnisse?
Die gängige Praxis der Geheimcodes scheint absurd, hat aber einen Grund. Denn es ist gesetzlich geregelt, dass jeder Mitarbeiter ein Recht auf ein „wohlwollendes“ Zeugnis hat, um auf dem Arbeitsmarkt zu bestehen. Jeder, der schlechte Bewertungen erkennt, kann vor dem Arbeitsgericht klagen. Davor schützen sich die Arbeitgeber durch die Geheimsprache. Lies dein Praktikumszeugnis also genau durch und rede im Zweifel nochmal mit deinem Chef. Auch wenn dir dieses Gespräch unangenehm ist, es wird sich lohnen!
Das steckt hinter den Formulierungen
Natürlich gibt es noch mehr Tücken im Praktikumszeugnis: Hinter „Sie war sehr kommunikativ“ steckt „Sie redet statt zu arbeiten“. Das man im Büro viel mit den Kollegen geplaudert und sie womöglich auch noch von der Arbeit abgelenkt hat, drückt sich im Wortlaut aus: „Durch ihr aufgeschlossenes Wesen war sie bei den Mitarbeitern stets gern gesehen“.
In der Zusammenarbeit mit den Kollegen kann man natürlich noch mehr falsch machen. Steht die Klausel im Praktikumszeugnis: „Er zeigte große Kooperationsbereitschaft und band seine Kollegen in eigene Arbeitsabläufe erfolgreich ein“, dann versteckt sich hier der Hinweis, dass man die eigene Arbeit an Kollegen abgegeben hat.
Super, wenn man immer pünktlich war? Von wegen, hinter der Formulierung „immer pünktlich“ steckt „nicht eine Minute länger als nötig auf Arbeit“.
Auch das „alle anvertrauten Aufgaben ordnungsgemäß erledigt“ wurden ist kein gutes Zeichen, es beschreibt, dass man kaum Eigeninitiative zeigte und lediglich Anordnungen erfüllt wurden.
Ganz schlecht sind Sätze wie „Sie war eine kritische Mitarbeiterin“, dies ist eine nette Umschreibung für „Sie war eine Oberzicke, die sich über alles aufgeregt hat.“
Schnelligkeit, Effektivität und Produktivität sind Schlagwörter in der Arbeitswelt. Im Zeugnis warnen Chefs vor Bummelanten und enorm langsamen Mitarbeitern, indem sie den Arbeitsstil als „besonders sorgfältig und genau“ umschreiben.
Im Teils 2 findest du weitere Tipps und Geheimcodes zu deinem Zeugnis.